Kinderheilkunde (gestern):
Die Kinder- und Jugendmedizin ist ein sehr junges Fach, das sich erst nach langem und erbittertem Widerstand der etablierten Medizin als eigenständige Pädiatrie bzw. Pädiatrik etablieren konnte. Zunächst stand die präzise Beschreibung von Erkrankungen des Kindes im Vordergrund, insbesondere von solchen, die „ausschließlich“ bei Kindern beobachtet wurden. Als Kinderkrankheiten werden seit dieser Zeit Infektionskrankheiten bezeichnet, die durch Erreger mit hoher Infektiosität und konsekutiv langer (ursprünglich vermuteter „lebenslanger“) Immunität gekennzeichnet sind (Masern, Röteln, Windpocken etc.), und daher damals praktisch nur bei Kindern auftraten.
Kinder- und Jugendmedizin (heute):
Die heutige Kinder- und Jugendmedizin umfasst die Lehre von der Entwicklung des kindlichen und jugendlichen Organismus, seinen Erkrankungen sowie deren Behandlung und Prävention. Damit ist sie das breiteste klinische Fach schlechthin, das nicht nur sämtliche internistische Subdisziplinen abbildet (mit Ausnahme der Geriatrie, die ihr Äquivalent in der Kinder- und Jugendmedizin in der Neonatologie hat), sondern darüber hinaus auch z.B. die Neuropädiatrie oder die Kinder- und Jugendgynäkologie beinhaltet. Und auch Subdisziplinen wie die Intensiv- oder Notfall-Medizin für Kinder und Jugendliche sind explizite Subdisziplinen ausschließlich der Kinder- und Jugendmedizin – wenngleich dieses von einigen Protagonisten anderer Fächer auch im 21. Jahrhundert nicht verstanden wird.
Neben der großen Masse an meist mehr oder weniger harmlosen saisonalen Infektionskrankheiten sind wir oft mit kleinen Fallzahlen und seltenen Erkrankungen konfrontiert. Eine besondere Herausforderung sind die Seltenen Erkrankungen, die als Kinderkrankheiten des 21. Jahrhunderts bezeichnet werden können. Sie verdeutlichen, dass die Kinder- und Jugendmedizin heute auch eines der modernsten und innovativsten Fächer ist: Das gilt sowohl für Diagnostik, die in vielen Fällen durch molekulargenetische Verfahren unterstützt werden kann, aber auch für die Therapie (z.B. Gen- und Zell-Therapien), die in vielen dieser Fälle einer personalisierten Medizin auf höchstem Niveau bedarf. Hierzu wird zukünftig sicherlich der Einsatz künstlicher Intelligenz einen wichtigen Beitrag leisten können.
Und damit sind wir auch schon bei dem Ausblick auf die Kinder- und Jugendgesundheit (morgen):
Als akademisches Fach wird daher der Kinder- und Jugendmedizin zunehmend die Hauptbedeutung im Bereich der Erforschung und Erhaltung von Gesundheit der gesamten Bevölkerung, bis in das Senium hinein, zukommen. Logische Folge ist dementsprechend, dass das Fach zukünftig nicht mehr als Kinder- und Jugendmedizin, sondern als Kinder- und Jugendgesundheit bezeichnet werden sollte.
Also, auf zur Kinder- und Jugendgesundheit 2024!
Michael Melter